ggf. mündlich
Antrag: | Sofortprogramm für Insekten- und Artenschutz |
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Antragsteller*in: | Wolfgang Wähnelt (Magdeburg KV) |
Status: | Überweisung |
Eingereicht: | 25.06.2019, 21:07 |
Antrag: | Sofortprogramm für Insekten- und Artenschutz |
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Antragsteller*in: | Wolfgang Wähnelt (Magdeburg KV) |
Status: | Überweisung |
Eingereicht: | 25.06.2019, 21:07 |
Das Artensterben ist eine Tatsache, wir können es uns nicht leiste zu warten. Handeln müssen wir jetzt.
Der Landesvorstand wird beauftragt, innerhalb eines Jahres den Landesverband über die veranlassten Schritte und erreichten Etappenziele zur Umsetzung des Beschlusses zu unterrichten.
Das Insektensterben durch die mediale Verbreitung der Ergebnisse der Studie des
Entomologischen Vereins Krefeld und das Volksbegehren Artenschutz „Rettet die
Bienen“ in Bayern große Aufmerksamkeit in der Öffentlichkeit bekommen. Die
genannte Studie besagt, dass die Zahl der fliegenden Insekten in analysierten
Naturschutzgebieten seit 1989 um bis zu 80 Prozent zurückgegangen ist. Beim
gesamten Thema der Insektenrückgänge geht es nicht nur um signifikante
Biomassenrückgänge, sondern auch um Individuenrückgänge in den Populationen der
verschiedenen Insektengruppen und Insektenarten. Mittlerweile gibt es deutliche
Hinweise auf ein fortschreitendes, regionales Artensterben. Die Folgen dieses
Insektensterbens sind gravierend, denn Bienen, Wildbienen und Schmetterlinge
sind unverzichtbar für die Bestäubung von Pflanzen. Insekten regulieren außerdem
Schädlinge und dienen zahlreichen anderen Arten als Lebensgrundlage. Immer
weniger Insekten bedeuten deshalb zwangsläufig auch weniger Fische, Frösche,
Eidechsen, Vögel und Säugetiere. Unsere gesamten Ökosysteme werden unumkehrbar
geschädigt.
Der überwiegende Teil aller Nahrungsmittel ist auf eine Bestäubung durch
Insekten angewiesen. Sie zersetzen organisches Material und machen unsere Böden
somit fruchtbar. Eine monetäre Bewertung der Ökosystem-Dienstleistungen ist
schwierig und ein endgültiger Verlust von Arten ist niemals in Geld aufzuwiegen.
Die Folgen dieses Artenschwundes für die ökologischen Systeme sind nicht
absehbar. Das Artensterben aufzuhalten, ist eine gesamtgesellschaftliche Aufgabe
und muss auch gesamtgesellschaftlich geleistet und finanziert werden. Wir
brauchen eine insekten- und vogelfreundlichere Gestaltung und Bewirtschaftung
bei allen Flächen und von allen Flächenbesitzern – bei den Privatgärten genauso
wie bei den Flächen der Kirchen, von Vereinen, in den Gewerbegebieten oder in
den Kommunen sowie in der Landwirtschaft.
BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN Sachsen-Anhalt fordern von der Landesregierung Sachsen-
Anhalt ein sofortiges Handeln und ein landesweites Insekten- und
Artenschutzprogramm, das folgende Punkte beinhaltet:
Die Bürger*innen müssen intensiv über das Insekten- und Artensterben, dessen
Ursachen und über mögliche Handlungsoptionen aufgeklärt werden. Hierfür fordern
wir die Landesregierung von Sachsen-Anhalt auf, eine zielgerichtete
Informationskampagne anzustoßen. Denn jede*r Einzelne kann zum Aufhalten des
Artensterbens einen Beitrag leisten. Wildblumen auf dem Balkon, einer
Schmetterlingswiese im eigenen Garten oder eine Blühfläche auf Pate*innenflächen
in Kommunen sind mögliche Maßnahmen. Es bedarf bei den Bürger*innen mehr
Akzeptanz für eine wilde, natürlichere und daher in Teilen auch „ungepflegtere“
Natur und eine ökologisch sinnvollere Grünpflege auf öffentlichen Flächen und an
Straßenrändern. Dem Trend zum vermeintlich arbeitserleichternden Kies- und
Steingarten ist mit Aufklärung entgegenzuwirken.
Ökologische Zusammenhänge sowie naturkundliches Wissen ist die Grundlage für
einen bewussten Umgang mit der Natur. Wir fordern daher eine deutliche Stärkung
der Umweltbildung in unseren Schulen, im gesamten Bildungssystem und vor allem
eine stärkere Integration in die landwirtschaftliche und gartenbauliche
Ausbildung. Um auch schon die kleinsten für ökologische Belange zu begeistern
und ihnen eine insektenfreundliche Umwelt aufzuzeigen, fordern BÜNDNIS 90/DIE
GRÜNEN ökologischn Schulgartenunterricht an jeder Grundschule.
Auf allen öffentlichen und allen privaten nicht landwirtschaftlich genutzten
Flächen in Sachsen-Anhalt (in Stadtparks, auf Friedhofsflächen, in
Gewerbegebieten, auf Vereinsflächen und Kirchengrundstücken usw.) ist der
Einsatz von Pestiziden bis auf wenige Notfallenwendungen bspw. zur Verhinderung
akuter Beeinträchtigung von Ökosystemen oder der Ausbreitung von
gesundheitsgefährdenden Insekten (z.B. Eichenprozessionsspinner) und
Giftpflanzen(z.B. Bärenklau) zu untersagen. Außerdem muss der Einsatz von
Pestiziden in Naturschutz- und Natura 2000-Gebieten, Pflegezonen von
Biosphärenreservaten sowie Nationalparks und Streuobstwiesen ausgeschlossen
bleiben bzw. werden. Sachsen-Anhalt soll sich im Bundesrat für die
entsprechenden Gesetze auf Bundes- und Europaebene einsetzen. Mittelfristig ist
eine rein ökologische Bewirtschaftung auf allen Flächen umzusetzen, die sich im
öffentlichen Eigentum befinden.
Sachsen-Anhalt braucht dringend mehr und vor allem miteinander vernetzte
geschützte Lebensräume für die heimische Tier- und Pflanzenwelt. Deshalb fordern
wir mehr Anreize, Förderprogramme und Vorgaben für die Schaffung und den Erhalt
von verschiedenen Lebensraumtypen wie Wildblumenwiesen, Streuobstwiesen,
heimische Hecken, artenreiches Grünland, Feuchtbiotopen, Magerstandorten,
Offenland, Säumen etc. in Kommunen, im privaten Bereich und in der
Landwirtschaft. Dafür ist ein integriertes, landesweites
Lebensraumentwicklungsprogramm zu schaffen. Die in der öffentlichen Hand
befindlichen Randstreifen haben grundsätzlich das Potential ein hervorragendes
Biotopverbundsystem für die heimische Tier- und Pflanzenwelt zu bilden. Leider
wird allzu oft durch häufiges Mulchen dieser Randstreifen die
Insektenpopulationen und deren Lebensräume immer wieder aufs Neue zerstört. Wir
brauchen eine möglichst naturnahe aber vor allem intelligente Pflege dieser
Flächen. Neben den Anforderungen der Artenvielfalt sind auch die Anforderungen
der Verkehrssicherheit zu berücksichtigen. BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN Sachsen-Anhalt
fordern die Landesregierung auf, ein Konzept und ein Förderprogramm für eine
ökologische Entwicklung und Pflege der Randstreifen aufzusetzen. Neben Techniken
der Teilmahd, zeitlich versetzter Mahd, der Mahdaufnahme, Mahdreduktion uvm.
sind auch mögliche Einsaaten für die Randstreifen im Hinblick auf Wuchs und
Artenvielfalt zu überprüfen. Zusätzlich gibt es in vielen Gemeinden immer noch
das Problem der Überackerung, d.h. im öffentlichen Eigentum stehende Flächen
(Feldraine und Ackerrandstreifen sowie ehemalige Wirtschaftswege) werden
bewirtschaftet. Diese Flächen müssen für die heimische Artenvielfalt wieder
zurückgewonnen werden, auch um landwirtschaftlich genutzte Flächen an die
Klimaveränderungen anzupassen.
Die Entwicklung und Erprobung praxistauglicher und wirtschaftlich tragfähiger
Naturschutzmaßnahmen in intensiv bewirtschafteten Agrarräumen müssen
vorangetrieben werden. Es sind einzelbetriebliche Maßnahmen zu eruieren und
öffentlich zu fördern, die Lebensräume für typische wildlebende Tier- und
Pflanzenarten der Agrarlandschaft schaffen. Gleichzeitig müssen diese Maßnahmen
sich gut in die betrieblichen Abläufe integrieren lassen, die Flächenausstattung
und die natürlichen Standortbedingungen berücksichtigen. Wildpflanzen und
Wildtiere müssen in die intensiv genutzten Agrarlandschaften zurückkehren, da
sie wichtige Bestandteile der Agrarlandschaft sind und dazu beitragen,
biologisch Schädlinge zu bekämpfen, die Wasserqualität zu verbessern sowie den
Erholungswert der Landschaft zu erhöhen. Diese praxistauglichen
Naturschutzmaßnahmen sollen in bestehende Agrarumweltmaßnahmen einfließen.
BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN Sachsen-Anhalt fordern eine insekten- und
vogelfreundlichere Bewirtschaftung von Grünlandstandorten. Sensible Gebiete wie
bspw. Gewässer und Naturschutzgebiete brauchen Pufferzonen, die es entsprechend
zu fördern gilt. Grünlandstandorte müssen wieder insektenfreundlicher werden.
Dazu braucht es Förderprogramme, die einen späten ersten Schnitt nach der Blühte
fördern. Unabhängig von der EU-Agrarreform muss Sachsen-Anhalt jetzt schon
dringend alle verfügbaren Spielräume der aktuellen Fördermöglichkeiten zum
Schutz der Artenvielfalt in der Grünlandbewirtschaftung nutzen. Es braucht es
mit Blick auf die Artenvielfalt wieder mehr Tiere auf der Weide. Denn jeglicher
Dung, der auf der Weide liegt, zieht Insekten an, die sich davon ernähren und
ihn zersetzen.
Der Flächenfraß ist ebenfalls Ursache des verstärkten Artensterbens. Der heutige
Bestand an wertvoller landwirtschaftlicher Nutzfläche und an Lebensräumen für
die Artenvielfalt muss bewahrt werden. Dazu brauchen wir eine Stagnation der
Netto-Versiegelung und auch bei der Zerschneidung von Landschaften. Die
Sicherung von Flächen für eine nachhaltige Landbewirtschaftung, den Naturschutz
und die Erholung ist die Schlüsselaufgabe in den nächsten Jahren. BÜNDNIS 90/DIE
GRÜNEN Sachsen-Anhalt fordern die Landesregierung von Sachsen-Anhalt auf, eine
wirksame Versiegelungsbegrenzungsstrategie zu erarbeiten, die über die
landwirtschaftliche Nutzung hinausgeht.
Die bäuerliche Landwirtschaft ist das Fundament der Kulturlandschaft und der
heimischen Artenvielfalt. Kleine Betriebe bewirtschaften kleinere
Flächenstrukturen. Die Schlaggröße und nicht die Vielfalt der Feldfrüchte ist
ausschlaggebend für die Bestäubung durch Wildbienen. Kleinere Feldblöcke wirken
sich positiv auf die Artenvielfalt. Die Anzahl der statistisch erfassten
landwirtschaftlichen Betriebe in Deutschland sinkt stetig. Die Agrarpolitik der
GroKo vernichtet die bäuerlichen Familienbetriebe und die Natur, denn in der GAP
werden landwirtschaftliche Betriebe je Hektar Fläche und nicht nach ihrer
ökologischen oder kulturellen Leistung subventioniert. Wir fordern die
Landesregierung auf, die heutige Konstruktion der GAP hinsichtlich der
Flächenförderung nicht mehr zu unterstützen und eine Neuordnung in der GAP zu
fordern. Öffentliches Geld für öffentliche Leistungen ist das Schlüsselwort der
Neukonzeptionierung der GAP, in der sich die Landesregierung einbringen muss.
Die Ursachenerforschung des dramatischen Rückgangs der Masse und Anzahl an
Insekten und Insektenarten ist deutlich auszubauen. BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN
Sachsen-Anhalt fordern die Gründung eines Instituts für Biodiversitätsforschung,
welches sich um die Entwicklung der Biodiversität sowie um ein
Biodiversitätsmonitoring kümmert. Dazu brauchen wir ein Forschungsprogramm zur
Definition von zukünftigen Biodiversitätsgrenzen und wirksamen Messkriterien.
Wie die Antwort auf eine Anfrage unserer BÜNDNISGRÜNEN Landtagsfratkion zeigt,
fehlen an Sachsen-Anhalts Straßen trotz gesetzlicher Vorgaben 7638 Bäume. Mit
dem Rückgang an Alleen verschwinden auch Lebensräume für Vögel und Insekten, die
für das lokale Ökosystem von großer Bedeutung sind. Deshalb sind die fehlenden
Bäume schnellstmöglich nachzupflanzen.
BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN fordern zudem die Landesregierung dazu auf zu überprüfen,
ob und wenn ja an welchen Stellen Wildtierbrücken an Sachsen-Anhalts
Bundesstraßen und Autobahnen benötigt werden. Vergleichbares gilt für den
Einsatz von Kleintierdurchlässen.
Wo es möglich ist, setzen wir uns zudem für eine Bepflanzung des Bereichs der
Mittelleitplanken auf Autobahnen ein.
BÜNDNIS 90/DIE GRÜNENSachsen-Anhalt fordern sofortiges Handeln in allen Punkten.
Das Artensterben ist eine Tatsache, wir können es uns nicht leiste zu warten.
Handeln müssen wir jetzt.
Der Landesvorstand wird beauftragt, innerhalb eines Jahres den Landesverband über die veranlassten Schritte und erreichten Etappenziele zur Umsetzung des Beschlusses zu unterrichten.
ggf. mündlich
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