Veranstaltung: | 41. Landesparteitag Magdeburg 29. Juni 2019 |
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Tagesordnungspunkt: | 2. GRÜNES BAND als Nationales Naturmonument ausweisen! |
Status: | Beschluss |
Beschluss durch: | LPT |
Beschlossen am: | 29.06.2019 |
Eingereicht: | 03.07.2019, 15:31 |
Antragshistorie: | Version 1 |
30. Jahrestag der Grenzöffnung: Ort der Erinnerung sichern, Grünes Band Sachsen-Anhalt als Nationales Naturmonument ausweisen
Beschlusstext
Die Geschichte Europas und Deutschlands ist über viele Perioden gezeichnet von
Krieg und Zerstörung, von Grenzen und Trennung. Für die Menschen sind das Zeiten
und Orte grauenvollen Leidens und schmerzhafter Erinnerns. Sie sind geprägt von
Diktatur, Krieg, Unterdrückung und menschlichem Leid.
Für die Natur bedeuten diese Orte heute paradoxerweise häufig Schutz – Schutz
vor Zerschneidung ihrer Lebensräume, vor Flächenversieglung und vor intensiver
Landwirtschaft. So entwickelte sich der ehemalige Todesstreifen an der
innerdeutschen Grenze zur Lebenslinie „Grünes Band“, der frühere Eiserne Vorhang
zum europäischen Naturverbund wie auch die einstigen gigantischen
Befestigungsanlagen des Westwalls zum Rückzugsort für bedrohte Arten.
Entlang der früheren innerdeutschen Grenze hat sich über 40 Jahre hinweg von der
Ostsee über Elbe und Harz bis zu den Mittelgebirgen Nordbayerns ein 1393
Kilometer langes „Grünes Band“ wertvoller Biotope entwickelt, der längste Wald-
und Offenland-Biotopverbund Deutschlands.
Am Todesstreifen, wo das DDR-Unrechtsregime seine wahrscheinlich schlimmste
Seite zeigte, wurden hunderte Menschen erschossen oder durch Mienen oder durch
Selbstschussanlagen getötet. Für den Grenzabschnitt Sachsen-Anhalt wird von 75
Todesopfern zwischen 1949 und 1989 ausgegangen. Es ist paradox, dass es
seinerzeit ausgerechnet auf diesem tödlichen Grenzstreifen eine Atempause für
die Natur gab. Das Grüne Band ist deshalb zugleich Mahnmal des DDR-
Unrechtsregimes und ein einzigartiger Leuchtturm für einen zusammenhängenden
Lebensraum der Natur. Das „Grüne Band“ hat sich vom Symbol der Teilung, als
ehemaliger innerdeutscher Grenzstreifen, zum Symbol der Überwindung von Grenzen
entwickelt.
Für BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN ist es eine zentrale Verabredung der Koalition aus
CDU, SPD und BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN das Grüne Band im Bereich Sachsen-Anhalt als
Nationales Naturmonument zu schützen und als ökologischen und geschichtlichen
Lern- und Erfahrungsort zu gestalten. Wir stimmen mit der Landesregierung
(Beschluss vom 04.09.2018) überein, dass der gesetzliche Rahmen dazu anlässlich
des 30. Jubiläums der Friedlichen Revolution bis zur Wiederkehr des Tages der
Grenzöffnung dem 9. November 2019 geschaffen werden soll.
Das Vorhaben stützt sich auf das Instrument des Bundesnaturschutzgesetz, das in
§ 24 Abs. 4 „Nationale Naturmonumente" als rechtsverbindlich festgesetzte
Gebiete beschreibt, die wissenschaftliche, naturgeschichtliche,
kulturhistorischen oder landeskundliche Gründe sowie Seltenheit, Eigenart oder
Schönheit mit herausragender Bedeutung vereint. Dafür steht das Grüne Band
exemplarisch. Es hat eine Länge von 1.390 Kilometern. Auf Sachsen-Anhalt
entfallen 343 Kilometer, von denen bereits ca. 80% durch naturschutzrechtliche
Kategorien des Flächen- und Gebietsschutzes gesichert sind. Vorhandene Lücken
wollen wir schließen.
In das Naturmonument sollen die Flächen zwischen der eigentlichen Grenzlinie bis
einschließlich des Kolonnenweges und ausgewählte Standorte von Resten noch
vorhandenen Grenzanlagen einbezogen werden, soweit sie in einem funktionalen und
räumlich engen Zusammenhang mit dem Schutzgebiet stehen.
Die Verabredung der regierungstragenden Fraktionen ein „Gesetz zum Naturmonument
Grünes Band Sachsen-Anhalt - Vom Todesstreifen zur Lebenslinie“ gemeinsam in den
Landtag einzubringen, ist Ausdruck der übergreifenden Verantwortung, einen Ort
zu schützen und zu entwickeln, der es ermöglicht, geschichtliche Erfahrungen an
folgende Generationen zu vermitteln. Gleichzeitig wird damit auch die
Handlungsfähigkeit der Koalition unterstrichen.
Durch das Gesetz soll ein verlässlicher Rahmen geschaffen werden, um das
Naturmonument in den beiden Handlungsfeldern Ökologie und Erinnerungskultur zu
gestalten. Dafür ist ein Gestaltungszeitraum erforderlich, in dem auf der
Grundlage des Landtagsbeschlusses (Drs. 6/2299 vom 11.07.2013) bestehende Lücke
durch Maßnahmen der Flurneuordnung und des Flächentausches zu schließen und im
Bereich der Erinnerungskultur ein Konzept erarbeitet und umgesetzt wird. Als
geeignetes Instrument der Ausgestaltung des Naturmonumentes sind jeweils Pflege-
, Entwicklungs- und Informationspläne zu nutzen.
Unverzichtbar ist es, die Menschen vor Ort und das Parlament aktiv in die
Gestaltung des Naturmonumentes einzubeziehen. Hierzu soll ein Fachbeirat
gebildet werden, in dem neben kommunalen Gebietskörperschaften, den Akteuren vor
Ort, die Opferverbände, Naturschutzverbände, Tourismusverbände und Kirchen
vertreten sind.
Da die Handlungsfelder Ökologie und Erinnerungskultur im Naturmonument Grünes
Band und die jeweiligen Träger zwei unterschiedlichen Ressorts der
Landesregierung zugeordnet sind, ist der Fachbeirat übergreifend vom
Ministerpräsidenten zu berufen. Die Einbeziehung der Landesbeauftragten für die
Opfer der SED-Diktatur ist unverzichtbar.
Im Gestaltungszeitraum ist eine kontinuierliche Einbeziehung und Mitwirkung des
Parlamentes durch eine regelmäßige Befassung des Fachausschusses für Umwelt und
des Fachausschusses für Kultur zu sichern.
Das Naturmonument bedarf fachbezogener Trägerschaften, die durch bestehende und
dafür prädestinierte Institution des Landes zu übernehmen sind. Die Aufgabe der
Träger besteht in der Erarbeitung und Umsetzung der Pflege-, Entwicklungs- und
Informationspläne. Gleichzeitig bilden sie den Rahmen örtliche Initiativen
(Vereine, Museen usw.) in ihren Aktivitäten verlässlich zu unterstützen und zu
begleiten. Für das Handlungsfeld Ökologie sollte das die Stiftung Umwelt, Natur-
und Klimaschutz des Landes Sachsen-Anhalt (SUNK) und für das Handlungsfeld
Erinnerungskultur die Stiftung Gedenkstätten Sachsen-Anhalt sein. Zielsetzung
und Form der Zusammenarbeit sind im Gesetz zu beschreiben.
Die Landesregierung wird aufgefordert, in beiden Handlungsfeldern eine der
Bedeutung des Vorhabens angemessene finanzielle Ausstattung dauerhaft zu
sichern.
Die Bundesregierung sollte gebeten werden, über die schon früher erfolgte
Sicherung eines Großteils des Grünen Bandes durch kostenfreie Übertragung von
Grundstücken hinaus, einen dauerhaften Beitrag für Maßnahmen im Handlungsfeld
Erinnerungskultur zu leisten.
Mit dem „Naturmonument Grünes Band Sachsen-Anhalt“ wollen wir gemeinsam mit
unseren Koalitionspartnern einen Ort sichern und gestalten, der an das Leid der
deutschen Teilung und die Freude der Öffnung einer unmenschlichen Grenze 1989
erinnert. Es geht uns darum, einen im Schatten des Sperrsystems entstandenen
Naturraum als Biotopverbund und als Erinnerungslandschaft zu schützen und im
Rahmen des Schutzzweckes gleichzeitig Regionalentwicklung, wie Natur- und
Geschichtstourismus, und Wertschöpfung vor Ort zu ermöglichen. In der zügigen
Ausweisung des deutsch-deutschen Radweges im Bereich Sachsen-Anhalt und
Niedersachsen als Teil des europäischen Radwanderwegs 13 - Iron Curtain Trail
(ICT) sehen wir in diesem Zusammenhang eine besonders dringliche Aufgabe.
Den Gestaltungsauftrag des „Gesetz zum Naturmonument Günes Band Sachsen-Anhalt -
Vom Todesstreifen zur Lebenslinie“ sehen wir als Angebot an Verbände, Vereine,
Institutionen, Kirchen und Einzelpersonen zur Mitarbeit.