Veranstaltung: | 41. Landesparteitag Magdeburg 29. Juni 2019 |
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Tagesordnungspunkt: | 6. Inhaltliche Anträge |
Status: | Beschluss |
Beschluss durch: | LPT |
Beschlossen am: | 29.06.2019 |
Eingereicht: | 03.07.2019, 15:47 |
Antragshistorie: | Version 1 |
Dem Flächenverbrauch Einhalt gebieten – bebaute Flächen zum Klimaschutz nutzen
Beschlusstext
Intakte Böden sind eine entscheidende und zugleich zu wenig beachtete
Lebensgrundlage. Unsere Böden dienen nicht nur dem Anbau von Kulturpflanzen,
sondern sind Speicher und Filter für Wasser, Nährstoffe und auch
Kohlenstoffdioxid (CO2). Der Boden schützt auf diese Weise unsere Atmosphäre und
spielt damit eine zentrale Rolle für den Klimaschutz. Zugleich ist er
vielfältiger Lebensraum für unzählige Bodenorganismen. Dennoch wird Boden durch
Flächenversiegelung, Flächenverbrauch, Erosion und Verschmutzung in immer
größerem Maße gefährdet und dauerhaft zerstört. Es gehört zu den wichtigsten
ökologischen Herausforderungen der nächsten Jahre, dem Flächenverbrauch im
Allgemeinen und dem Verbrauch natürlicher Böden im Besonderen in Sachsen-Anhalt
Einhalt zu gebieten. Aufgrund einer rückläufigen Bevölkerung ist der Rückbau
nicht mehr benötigter Gebäude und Infrastruktur und ein Stopp der zunehmenden
Flächenversiegelung in Sachsen-Anhalt möglich. BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN Sachsen-
Anhalt wollen mit einem verbindlichen Stopp weiteren Flächenverbrauchs nicht in
bestehende Rechte Privater eingreifen und gleichzeitig die
Entwicklungsmöglichkeiten der Kommunen erhalten. Dazu wollen wir ein
intelligentes Flächenzertifikatesystem einführen.
Das Netto-Null-Ziel kann nur dann erreicht werden, wenn unsere Städte und
Gemeinden mit im Boot sind. Die gesetzliche Begrenzung soll sich nur auf neue
Planungen und solche außerhalb bestehender Ortslagen und Gewerbegebiete
beziehen. Dort, wo jenseits bereits bestehenden Baurechts neue Vorhaben
entstehen sollen, soll der Neuverbrauch künftig vollständig ausgeglichen werden.
Weil das nicht immer vor Ort möglich ist und der Bedarf zu Neubau oder Rückbau
landesweit sehr unterschiedlich ist, soll ein System von Flächenzertifikaten
geschaffen werden. Über diese handelbaren Flächenzertifikate ermöglichen wir
Kommunen, Landkreisen und dem Land bei konkretem Flächenbedarf zusätzlich den
Kauf von Flächen anderer Kommunen, die diese nicht mehr benötigen. Wie ein vom
Umweltbundesamt geleitetes Planspiel gezeigt hat, sind Flächenhandelssysteme in
der Lage, den Flächenverbrauch effektiv zu verringern und verstärkt vom
Außenbereich in den Innenbereich zu lenken. Das Konzept der Flächenzertifikate
wird auch vom Sachverständigenrat für Umweltfragen unterstützt.
Landwirtschaftlichen Nutzflächen sollen für Kompensationsmaßnahmen in Zukunft
nur unter klar definierten Voraussetzungen herangezogen werden können.
Neuversiegelungen natürlicher Böden sollen nur noch genehmigt werden, wenn
jeweils eine gleich große Fläche im gleichen landschaftlichen Kontext entsiegelt
und bodenfunktional aufgewertet bzw. renaturiertwird. Innerhalb von Orten und
Städten streben wir jedoch einen Lückenschluss an. Im Sinne eines
flächensparenden Bauens muss das Schutzgut Boden in der Richtlinie über die
Bewertung und Bilanzierung von Eingriffen im Land Sachsen-Anhalt eine
angemessene und fachlich valide Berücksichtigung finden. Zur Realisierung von
sinnvollen Kompensationsmaßnahmen ist eine stärkere Nutzung des Katasters der
schädlichen Bodenveränderungen und Altlasten zu realisieren.
Graue Flächen in unseren Vorgärten artenfreundlich begrünen
Anstatt steriler Kies- und Schotterflächen wollen BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN Sachsen-
Anhalt Vorgärten mit artenreichen Pflanzungen, die nicht nur das Umgebungsbild
bereichern, sondern auch Lebensraum für zahlreiche Insekten bieten.
Klimaschutz und -anpassung auf unseren Dächern
Kein Dach soll ungenutzt bleiben – denn auch dort kann ein Beitrag zum
Klimaschutz geleistet werden. Neubauten sollen künftig mit Photovoltaikanlagen,
Neubauten mit Flachdächern mit Grünflächen versehen werden. Diese Regelung soll
nicht nur Privatgebäude, sondern auch öffentliche Gebäude wie Kindertagesstätten
und Schulen gelten. Die Landesregierung muss dabei mit gutem Beispiel vorangehen
und die Gebäude des Landes schnellstmöglich mit Photovoltaikanlagen und
Dachbegrünung ausstatten. Das Ministerium für Umwelt, Landwirtschaft und Energie
soll als Empfehlung eine Liste an Pflanzen erstellen, die sich für die
Dachbegrünung besonders eignen und vogel-, sowie insektenfreundlich ist und dies
in seine Öffentlichkeitsarbeit einbinden. Begrünte Dächer wirken der Aufheizung
der Luft entgegen, steigern die innerörtliche Biodiversität und schaffen eine
bessere Verdunstungsmöglichkeit für Regenwasser. Inwieweit eine Pflicht für
Photovoltaikanlagen und Bepflanzung auch für bereits bestehende Gebäude
eingeführt werden kann, muss durch das Ministerium rechtlich geprüft werden. In
jedem Fall ist der Denkmalschutz zu wahren. Bereits bestehende Programme zur
Ausstattung von Dächern mit Photovoltaikanlagen unterstützen wir.
Neubaugebiete im Vorfeld an Klimafolgen anpassen
Auf kommunaler Ebene setzen sich BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN Sachsen-Anhalt dafür ein,
dass vor dem Beschluss eines Neubaugebiets eine Klimafolgenanalyse erfolgt.
Anhand dieser soll ersichtlich werden, wie ein Neubaugebiet das Klima der
Umgebung verändert und ob es am geplanten Ort realisiert werden kann. Das Ziel
ist, Lüftungskorridore zu erhalten oder zu entwickeln, wertvolle Böden zu
bewahren und weitere Klimaschutzmaßnahmen vorzusehen, um Neubaugebiete auf die
Klimaveränderungen vorzubereiten. Zudem setzen wir uns auf kommunaler Ebene für
kommunale Klimaschutzmanager*innen ein. Diese beraten unsere Kommunen,
Landkreise und kreisfreie Städte, aber auch interessierte Bürger*innen in Fragen
der Energieeffizienz, der Klimafolgenanpassung und dem Bauen. Außerdem sollte
der*die Klimaschutzmanager*in den kommunalen Umweltausschüssen beratend zur
Seite stehen.